Komm mit, Angst - aber nur noch auf dem Rücksitz

Ich tue es. Ich tu’s wirklich. Ich bin gerade auf dem Weg an den Gardasee.
Seit Jahren wollte ich meine beste Freundin schon in ihrem Urlaub an ihrem zweiten Zuhause besuchen.
Jedes Jahr wieder fand ich eine Ausrede: ich hab kein Geld, das kann ich mir nicht leisten, wie soll ich denn da alleine hinkommen, dann müsste ich so lang alleine mit dem Auto oder Zug fahren, ich möchte nicht ohne meinen Freund in den Urlaub fahren.
Jedes Jahr stand die gleiche Motivation hinter meinen Ausreden: ANGST.
Wenn mir eins in den letzten Jahren bewusst geworden ist, dann das: ich war mein Leben lang einer der ängstlichsten Menschen auf dieser Welt - ganz ohne Übertreibung.
Alleine feiern gehen und dann in der Nacht mit dem Bus oder Taxi nach Hause? Scheiße, was, wenn mir da was passiert?
Alleine reisen? Ne, lieber nicht.
Vor vielen Menschen sprechen? Auf gar keinen Fall und mit meinem bayerisch versteht mich ja außerdem sowieso keiner.
Etwas gewagtes anziehen? Lieber nicht, den Blicken der anderen halt ich nicht stand, was werden die dann über mich denken?
Ganz egal, worum es ging: mein Gehirn war darauf trainiert bei allem erst einmal die „Risiken“ und „Gefahren“ zu erkennen.
Und für mich war es schon eine „Gefahr“, dass ich vielleicht etwas falsch machen könnte, etwas Falsches sagen könnte und dann blöd dastehen oder sogar abgelehnt werden könnte.
Wow, die Angst vor Ablehnung, was für ein riesiges Thema in meinem Leben. Zu einem gewissen Grad ist das auch menschlich: wir sind Rudeltiere, früher war es entscheidend für unser Überleben, dass wir nicht aus unserer Herde ausgeschlossen werden.
Aber das was ich quasi mein Leben lang gemacht habe, hatte nichts mehr mit gesunder Vernunft, sondern schlicht und ergreifend mit der Angst vor dem Leben zu tun.
Und weißt du, was diese „Vorsicht“ bewirkt hat?
Dass ich mich sicherer fühlte? Ja, garantiert nicht. Ich wurde noch ängstlicher, traute mich noch weniger, fand ständig Beweise für meine Filterbrille, dass es für mich einfach nicht sicher ist, alleine in die große weite Welt - oder überhaupt irgendwohin - zu gehen.
Ich habe Grenzen in meinem Kopf aufgebaut, ganz unterbewusst, die mir sofort gesagt haben, ob etwas für mich möglich ist oder nicht. Da waren so viele Glaubenssätze und Limitierungen, die ich über die Jahre angesammelt - und verteidigt - hatte. „Natürlich ist die Welt gefährlich, schau dich doch mal um.“ Ich fand immer Beispiele, die meinen Standpunkt „rechtfertigten“.
Ich könnte noch stundenlang so weiterschreiben, aber was ich dir mit all dem eigentlich sagen möchte:
KOMPLETTER BULLSHIT!
Das Einzige, was ich mit meinem angsterfüllten Verhalten bewirkt habe, war, dass ich mir selbst so viel Freude und Spaß in meinem Leben verboten habe. Die ganzen kleinen und großen Abenteuer - und dann auch noch spontan - waren für mich nicht möglich, weil ich das in meinem Kopf so abgespeichert hatte - das war der einzige Grund.
Und das ist jetzt vorbei: es ist nicht so, dass ich plötzlich kein ängstlicher Mensch mehr bin, aber ich habe entschieden, meine Angst an die Hand zu nehmen, ihr zu zeigen, dass das Leben gar nicht so gefährlich ist, wie sie denkt; ich möchte ihr auch zeigen, dass ich ihr dankbar bin, weil ich weiß, dass sie mich beschützen möchte vor all den Gefahren, die da draußen auf mich warten; aber allem voran möchte ich ihr zeigen, dass sie nicht am Steuer meines Lebens sitzt. Sie darf dabei sein, auf der Rückbank, sie darf ihre Meinung haben, aber sie fällt nicht meine Entscheidungen.
Das mache ich, das macht meine Seele, das macht mein Bauchgefühl. Es zeigt mir genau, welche Erfahrungen und Abenteuer richtig für mich sind.
Ich habe mir selbst seit einigen Wochen eine kleine Challenge gestellt: wann immer ich die Chance habe, etwas Neues auszuprobieren, ein Abenteuer zu erleben, lautet meine Antwort: ja und zwar aus ganzem Herzen - und mit Schwitzehänden, dank meiner Angst. Und bisher hat es sich jedes Mal sowas von gelohnt.
Und so fahre ich jetzt in mein nächstes, persönliches, kleines Abenteuer: Gardasee, ich komme und bin gespannt, was du für mich bereit hältst.
Mit einem neugierigen Herz und mit Schwitzehänden
Kathi ♥